In der Zucht gibt es bekanntermaßen einige Möglichkeiten, direkt oder auch indirekt die Kälbergesundheit zu verbessern. Die Kalbemerkmale bilden hierfür einen wichtigen Grundstein.

Stellschraube Zucht

Der Kalbeverlauf direkt RZKd sagt etwas zum Geburtsverlauf der Kälber eines Bullen aus. Der Durchschnitt liegt wie bei anderen Melkmalen bei 100. Die Standardabweichung ist auch in diesem Merkmal bei 12. Als färsentauglich titulieren viele Spermavermarkter Bullen mit einen RZKd ab 106. Der Zuchtwert RZKd ist im Übrigen eine Kombination aus den Zuchtwerten des direkten Kalbeverlaufes (zu 50 % im RZKd) und der Totgeburtenrate bei den Nachkommen eines Bullen (zu 50 % im RZKd). Neben dem RZKd ist bei allen deutschen Bullen auch der RZKm ausgewiesen. Dieser beschreibt die Fähigkeit der Nachkommen eines Bullen wieder selbst Kälber zu gebären. Die Kombination des Zuchtwertes besteht hierbei aus den Abkalbeeigenschaften der Töchter (50 %) und der Totgeburtenrate bei den Töchtern (50 %).

Doch was bedeutet das für mich als Landwirt? Zum einen ist jedes totgeborene Kalb schon aus emotionaler Sicht und Tierwohlaspekten sehr bedauerlich, und zum anderen auch ein ökonomischer Totalausfall. Ebenso können bekannterweise beachtliche Kosten und Minderleistungen bei Tieren mit einer Schwer-/ Totgeburt in der Folgelaktation entstehen. Nicht zu unterschätzen ist zusätzlich der Aspekt, dass Kälber aus Schwergeburten einen strapaziöseren Start ins Leben hatten und somit oft in der weiteren Entwicklung zurück liegen. Im Jahr 2019 wurde zusätzlich der Zuchtwert Kälberfit (RZKälberfit) integriert. Dieser Zuchtwert beschreibt die Überlebensfähigkeit von Kälbern in der Aufzuchtperiode vom 2. Lebenstag bis zum Alter von 15 Monaten. Bullen mit Werten von über 100 haben demnach Nachkommen mit besserer Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen. Neben diesen schon finanziell beachtlichen Komponenten, welche die Zucht beeinflussen können, sind die Managementfaktoren absolut essenziell. Eine davon wird im Weiteren hier erläutert.

Erstversorgung – damit steht und fällt alles

Zu den häufigsten Ursachen für Kälberverluste nach der Geburt zählt nach wie vor falsches bzw. ungenügendes Kolostrum-Management. Zu geringe Futteraufnahmen gepaart mit unhygienischen Haltungsbedingungen und Stress erhöhen das Risiko, dass Kälber frühzeitig erkranken. Oder sogar abgehen. Die Folgen für den Betrieb äußern sich mit einer schlechten Remontierung und Verlust von genetisch wertvollem Potential. Zudem zeigen erkrankte und wieder genesende Kälber schlechte Aufzuchtleistung sowie lebenslang eine verminderte Leistungsbereitschaft.

Metabolische Programmierung

Warum ist es so wichtig, gerade in den ersten Lebenswochen ein optimales Kolostrum- bzw. Tränke-Regime zu fahren? Ob- wohl von einer Milchkuh eine hohe Futteraufnahme und maximale Leistung verlangt wird, „programmieren“ wir die Kälber oft in den ersten Wochen genau auf das Gegenteil. Denn das aktuelle Tränkemanagement lautet immer noch, die Kälber restriktiv mit 4 bis 6 Liter Vollmilch bzw. 5 bis 8 Liter Kälbermilch pro Tag zu tränken. Bei diesem eher knappen Energieangebot schöpfen die Kälber allerdings ihr Wachstumspotential nicht annähernd aus. Mehrere Studien belegen, dass eine höhere Fütterungsintensität in den ersten Lebenswochen im Vergleich zu restriktiven gefütterten Kälbern zu einer höheren Milchleis- tung in der ersten Laktation führt – bei identischer Fütterung nach der Tränkeperiode (LFA, Römer et al., 2017). Eine Erklärung ist, dass die höhere Fütterungsintensität die Entwicklung der Euteranlage offenbar verbessert (Einfluss der Fütterungsintensität auf das Euterparenchym, Geiger et al., 2016).

Vor und bis ca. 40 Tage post partum basiert das Körperwachs- tum hauptsächlich auf Zellvermehrung durch Zellteilung. In der Folgezeit wachsen Masse und Volumen der Organe hauptsächlich durch Vergrößerung der vorhandenen Zellen. Das heißt, je höher die Anzahl Zellen im Gewebe eines Organs, desto leistungsfähiger ist das Organ. In Folge ist auch der Gesundheitsstatus bei intensiv gefütterten Kälbern deutlich höher als bei restriktiv gefütterten Tieren, da die bessere Organentwicklung auch zu einem höheren Immunstatus und besseren Stoffwechselleistung führt. Interessant ist dabei auch, dass intensiv gefütterte Kälber nach der Tränkeperiode auch signifikant höhere Kraftfutteraufnahmen haben, und damit höhere Gewichtszunahmen erreichen (Abbildung 1).

Daher ist eine Ad Libitum-Tränke in den ersten Wochen zu empfehlen!

Was hat der Betrieb davon?

Der Ökonom runzelt nun die Stirn und rechnet vor, dass die höheren Kosten für Vollmilch bzw. Kälbermilch oder auch für den Mehraufwand an Arbeitsleistung in der Aufzucht das Betriebsergebnis negativ beeinflussen. Hohe Zunahmen in der Tränkephase wirken sich aber deutlich positiv auf das Betriebsergebnis aus:

  • Der Gesundheitszustand der Kälber ist deutlich verbessert, wodurch sich der Medikamenteneinsatz reduziert

  • Die Jungkühe haben höhere Leistungen in der 1. Laktation (Abbildung 2)

  • Der Anteil an Abgängen in der 1. Laktation ist reduziert (Abbildung 3)

  • Und schlussendlich kann man sein Ziel erreichen, die Nutzungsdauer im Betrieb zu erhöhen (Abbildung 4)

Take Home Message

Eine intensive Kolostrum- und Tränkephase v.a. in den ersten Lebenswochen steigert die Vitalität des Kalbes. Mit einer Ad Libitum-Tränke (Vollmilch oder Milchaustauscher) ist eine optimale Organentwicklung möglich. Dies hat auch Folgen für die spätere Leistung des Rindes mit weniger Abgängen und höherer Nutzungsdauer. Haben Sie Mut, das Tränkemanagement zu ändern – die Kühe werden es Ihnen danken!

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