Eine Untersuchung anhand der Testherden der RinderAllianz


Schirin Tappert und Prof. Dr. Hermann H. Swalve
Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der RZG verkörpert das Zuchtziel der Deutschen Holsteins. Bereits seit 2002 wurde die Nutzungsdauer im RZG mit anfänglich 25% stark gewichtet. In 2021 fand zugunsten des RZGesund (18%) die letzte Anpassung auf 18% Wichtung der Nutzungsdauer im RZG statt. Untersuchungen zur Nutzungsdauer sind schwierig, weil mit dem Abgang der langlebigen Kühe deren Datenlieferung erst spät vervollständigt wird. Am Datenmaterial der 46 ProFit-Testherden der RinderAllianz wurden die nachfolgenden Analysen durchgeführt. Ausgewertet wurden mit Datenstand 2022 insgesamt 46097 Kühe bei ca. 11500 Kühen pro Jahr, die 2010 bis 2013 erstmalig kalbten. Lediglich ca. 1,7 % der Kühe waren noch in Produktion. Diese sowie Kühe mit dem Abgangsgrund „verkauft zur Zucht“ wurden nicht berücksichtigt. Alle Kühe wurden in zwei Gruppen eingeteilt, wobei die erste Gruppe alle Kühe einschloss, die bis inkl. der 4. Laktation abgingen und die zweite Gruppe die, welche ab der 5. Laktation die Herde verließen. Die zweite Gruppe enthielt 22 % des Gesamtmaterials. Für alle Vergleiche wurden modellkorrigierte Mittelwerte (LSMEANS) verwendet, wobei Korrekturen für den Betriebseffekt, das Erstkalbsjahr und das Erstkalbealter durchgeführt und die Ergebnisse für den Gruppenvergleich auf Signifikanz geprüft wurden.

Vergleich der Leistungen in der 1. Laktation

Gruppe 1 enthielt Kühe, die während der 1. Laktation die Herde verließen (18,8 % aller Kühe). Für diese Kühe könnte man hochgerechnete Laktationsleistungen verwenden- speziell bei sehr frühen Abgängen ein eher problematisches Verfahren. Für die Abb. 1 wurden die Balken auf der linken Seite der Grafik für eine für Melktage unkorrigierte Leistung verwendet. Die Konsequenz ist, dass die Gruppe der Abgänge bis zur 4. Laktation dann deutlich schlechter abschneidet. Auf der rechten Seite wurden für die Berechnung der ebenfalls für Melktage unkorrigierten Leistung nur solche Laktationen verwendet, die mehr als 270 Melktage aufwiesen. Die Leistung in beiden Gruppen ist nahezu gleich. Dies kann einerseits so interpretiert werden, dass eine hohe Leistung in der ersten Laktation eher nicht zu einem frühen Abgang führt, und andererseits, dass eine niedrige Leistung in der ersten Laktation nicht zu einem langen Leben beitragen würde. Im Öko-Zuchtwert für das Fleckvieh wird das Merkmal „Leistungssteigerung“ einbezogen, worunter man eine möglichst hohe Steigerung der Leistung von der Jungkuh bis zur reifen Kuh versteht. Die Leistung in der ersten Laktation darf dann etwas niedriger sein. Die hohe Steigerung ist erwünscht, da man sich davon eine positive Wirkung auf die Langlebigkeit verspricht. Für Holsteins scheint dieser Ansatz nicht zu gelten.

Abb. 1: Vergleich der Milchmenge (kg) in der 1. Laktation zwischen Kühen, die später bis zur 4. Laktation abgingen, gegenüber Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen. Linke Hälfte: Alle Erstlaktationen inkl. früher Abgänge, unkorrigiert für Melktage; rechte Hälfte: Erstlaktationen mit mindestens 270 Melktagen


Exterieurmerkmale

Alle nachfolgenden Vergleiche für Einzelmerkmale sind signifikant; nicht signifikante Merkmale (Beckenneigung, Klauenwinkel, Hinterbeinwinkelung, Zentralband, Hintereuter und Strichlänge) sind nicht dargestellt. Die Vergleiche erfolgen auf der Ebene der eigenen Kuhzuchtwerte der Tiere beider Gruppen, wurden aber auch auf Ebene der naturalen Werte durchgeführt. Aufgrund der sehr großen Lernstichprobe der genomischen Zuchtwertschätzung sind die Vergleiche auf Zuchtwertebene in ihrer Aussage deutlicher, alle Aussagen gehen aber in dieselbe Richtung, d.h. es ist letztendlich unerheblich auf welcher Ebene (Zuchtwert oder naturaler Wert) man vergleicht.

In Abb. 2 sind die signifikanten Vergleiche für Körpermerkmale dargestellt. Ausnahmslos ergeben sich niedrigere Werte für die Kühe, die alt wurden. Diese für manche Leser noch überraschende Feststellung ist nicht neu. Es ist schon länger bekannt, dass sehr große, sehr breite und tiefe Kühe bzw. sehr scharfe Kühe ein kürzeres Leben haben. Das gilt für junge Kühe zum Zeitpunkt der Datenerfassung im Rahmen der linearen Nachzuchtbewertung. Weiterhin gilt, dass eine reife Kuh mit viel Körpertiefe ausgestattet sein kann bzw. sogar sollte. in der ersten Laktation sollte sie jedoch noch nicht so aussehen.

Abb. 2: Vergleich der Kühe, die später bis zur 4. Laktation abgingen, mit Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen, für die eigenen Zuchtwerte in den Merkmalen Milchcharakter (MCH), Größe (GROE), Körpertiefe (KTI), Stärke (STAE) und Beckenbreite (BBR)


Im Zusammenhang mit dem Fundament (Abb. 3, inkl. Bewegung) lässt sich offensichtlich bereits in der ersten Laktation die Lebenslänge vorhersagen. Wegen mangelnder Signifikanz fehlen die Merkmale Klauenwinkel und Hinterbeinwinkelung, da dies Optimalmerkmale sind und eher mittlere Werte sich positiv auf ein langes Leben auswirken In die Abb. 3 wurde zusätzlich das Merkmal BCS einbezogen. Auch dafür gilt, dass sich bereits in der ersten Laktation Tendenzen für ein langes Leben erkennen lassen.

Abb. 3: Vergleich der Kühe, die später bis zur 4. Laktation abgingen, mit Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen, für die eigenen Zuchtwerte in den Merkmalen Hinterbeinstellung (HST), Sprunggelenksqualität (SPRQ), Bewegung (BEWE) und Body Condition Score (BCS)


Abb. 4 stellt signifikante Unterschiede für Eutermerkmale dar. Erwartungsgemäß haben Eutertiefe und Vordereuteraufhängung großen Einfluss auf die Lebenslänge. Etwas mehr nach außen gestellte Striche schneiden besser ab, während zu eng gestellte Striche eher ungünstig sind.

Abb. 4: Vergleich der Kühe, die später bis zur 4. Laktation abgingen, mit Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen, für die eigenen Zuchtwerte in den Merkmalen Eutertiefe (EUTI), Vordereuteraufhängung (VOEU), Strichplatzierung vorn (STPLv) und Strichplatzierung hinten (STPLh)


Relativzuchtwerte

In Abb. 5 sind Relativzuchtwerte dargestellt, die auch in den RZG eingehen. Aufgrund mangelnder Signifikanz entfällt der RZExterieur. Die Ergebnisse sind sehr eindeutig: Langlebige Kühe haben einen hohen RZS und RZN. Deutlichste Unterschiede sind im RZG zu finden. Die absolute Höhe des RZG sollte nicht irritieren, weil die Zuchtwerte für Kühe der Erstkalbsjahre 2010 bis 2013 auf der im Jahr 2022 gültigen Basis ausgedrückt sind. Die gefundenen Werte sind ein sehr starker Hinweis darauf, dass durch die Zucht nach RZG die Langlebigkeit der Kühe sehr stark gefördert wird. Dies ist ökonomisch wichtig auch weil ältere Kühe deutlich mehr Milch geben als Jungkühe (Steigerung von 24 % von der ersten zur vierten Laktation). Die Zucht nach RZG fördert somit nachhaltig das Tierwohl!

Abb. 5: Vergleich der Kühe, die später bis zur 4. Laktation abgingen, mit Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen, für die eigenen Zuchtwerte RZG, RZM, RZS, RZN, RZR, RZKm und RZKd


Gesundheitsmerkmale

Eng verknüpft mit dem RZG sind neben der Nutzungsdauer auch die Gesundheitsmerkmale. Die Vergleiche für die Zuchtwerte der Euter-, Klauen-, Stoffwechselgesundheit sowie die des Reproduktionstraktes sind in Abb. 6 dargestellt. Alle Gesundheitsmerkmale werden im RZGesund zusammengefasst. Sämtliche Teilzuchtwerte zeigen deutlich höhere Werte bei Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen. Die Ausprägung der Differenzen für den RZGesund sind vergleichbar zu den beobachteten Differenzen für RZN und RZG. Erwartungsgemäß werden Kühe mit genetisch höherer Veranlagung für Gesundheit älter. Das ermöglicht, die Langlebigkeit der Herde neben dem RZN auch über den Zuchtfortschritt für RZGesund zu verbessern.

Abb. 6: Vergleich der Kühe, die später bis zur 4. Laktation abgingen, mit Kühen, die erst ab der 5. Laktation abgingen, für die eigenen Gesundheitszuchtwerte RZEUTER (Eutergesundheit), RZKLG (Klauengesundheit), RZMETAB (Stoffwechsel), RZREPRO (Störungen des Reproduktionstraktes) und RZGES (Gesundheit Gesamt)


Für die Gesundheitsmerkmale lagen auch alle 12 Einzelzuchtwerte (Limax, Ketose, etc.) vor. Deren Auswertung erbrachte in jedem Fall einen Vorteil für die Gruppe der alten Kühe. Mit Hilfe der Selektion auf RZGesund verringert steigende Resistenz das Ansteckungsrisiko für infektiöse Erkrankungen (z.B. Mastitis, Dermatis Digitalis) und potenziert damit zeitgleich den positiven Effekt auf die Herdengesundheit.

Leistungsstarke und alte Kühe sind das Ziel (im Bild 2 x 150.000 MKg aus Iden); RZG, RZGesund und RZN sind dafür sichere Selektionsparameter

Schlussfolgerungen

Der hier verwendete Ansatz der Berechnung könnte auch in abgewandelter Form praktiziert werden. Geprüft wurde, wie sich die ermittelten Differenzen entwickeln würden, falls man Kühe, die in der ersten Laktation abgehen, mit Kühen vergleicht, die erst nach dem siebten Kalb abgehen. Erwartungsgemäß werden die Differenzen deutlich größer. Sie folgen allerdings mit demselben Muster für die einzelnen Merkmale. An der oben getroffenen Grundaussage ändert sich dadurch nichts. Die gefundenen Differenzen zwischen Kühen, die bis zur vierten Laktation abgehen und Kühen, die erst ab der fünften Laktation abgehen, unterstreichen die hohe Qualität des deutschen Systems der Zuchtwertschätzung sowohl für Merkmale der Gesundheit als auch für Nutzungsdauer. Eingefügt im RZG fördert die Zucht auf Gesundheit gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung und das Tierwohl.

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