Nach 2 Jahren Verzicht stand im Herbst 2022 endlich wieder eine Fleischrind-Züchterreise auf dem Plan. Erstmalig gemeinsam reisten die Fleischrinderzüchter aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt Mitte Oktober ins Nachbarland Tschechien.

Exzellente züchterische Basis
Die RinderAllianz steht seit langem in regelmäßigem fachlichen Austausch mit den Vertretern des tschechischen Fleischrinderverbands ČSCHMS. Die tschechischen Fleischrinderzüchter haben in den zurückliegenden Jahren eine exzellente züchterische Basis aufgebaut. Bei einer gemeinsamen Bewerterschulung mit unseren tschechischen Kollegen konnten wir uns 2019 vor Ort davon überzeugen. Das hat neugierig gemacht und so war die Idee geboren, die Fleischrindzucht bei unseren Nachbarn genauer in Augenschein zu nehmen. Mit dankenswerter Unterstützung von Kamil Malát, Geschäftsführer von ČSCHMS, konnte ein sehr vielfältiges Fachprogramm vorbereitet werden, das umfassende Einblicke in die Fleischrinderzucht unserer Nachbarn bot.

In Tschechien werden etwa 225.000 Mutterkühe gehalten, darunter sind ca. 25.000 Fleischrind-Zuchtkühe aus 25 Rassen von 678 Züchtern im Herdbuch eingetragen. Da die Fülle der während unserer Reise gewonnenen Informationen den Umfang des hier vorliegenden Artikels sprengen würde, können interessierte Leser weiterführende deutschsprachige Ausführungen zur tschechischen Fleischrinderzucht, zum System der Leistungsprüfungen, Bewertungen und Zuchtwertschätzung auf folgender Website finden: https://db.cschms.cz/index.php?page=breeding&lang=ge.

Sächsischer Simmentalbetrieb als Auftakt
Ehe es jedoch über die Grenze ging, gab es noch einen Abstecher in die Moritzburger Kleinkuppenlandschaft zu einem sächsischen Zuchtbetrieb. Mit viel Herz präsentierte Falk Lohmann aus Volkersdorf bei Radeburg seine Fleckvieh-Simmental-Zuchtherde, sein Herdenmanagement und die Direktvermarktung – ein gelungener Auftakt unserer Reise, wie wir meinen!

Fleischrinderschau in Lysa nad Labem
Während unseres Aufenthalts in Tschechien besuchten wir die regionale Landwirtschaftsmesse in Lysa nad Labem mit einer Fleischrinderschau für die Rassen Charolais und Simmental. An der Veranstaltung nahmen 18 Zuchtbetriebe mit insgesamt 33 Charolais- und 26 Simmental-Vertretern teil. Auch wenn das Richten bereits am Vortag stattgefunden hatte, konnten alle Tiere noch vor Ort begutachtet werden. Charolais-Champion war die 17 Monate alte Färse Hermína Redu (V: Ocean) aus dem Zuchtbetrieb Redu. Bei den Simmentalern belegte die knapp 11 Monate alte Haka Agrochyt (V: Coose Jericho) aus dem Zuchtbetrieb Agrochyt s.r.o, Mohleno, den ersten Platz. Außerdem wohnten wir dem Jungzüchterwettbewerb bei und hatten Gelegenheit mit Vertretern der Verbände, Besamungsstationen und einigen Züchtern ins Gespräch zu kommen.

Bullenpräsentation auf der Besamungsstation
Hoch interessant waren auch unsere Besuche auf der Besamungsstation NATURAL spol. s.r.o. in Hradištko pod Medníkem und der Prüfstation OPB Cunkov in Milevsko. Auf der Besamungsstation hatten die tschechischen Kollegen eine Bullenpräsentation vorbereitet, bei der wir eine Auswahl bewährter Vererber, aber auch einige „frische“ Neuankäufe in Augenschein nehmen konnten. Beeindruckend war die enorme Rassenvielfalt der Fleischrindbullen, die auf der Station zum Absamen standen. Highlight war der 10-jährige Limousin-Bulle Abidol (V: Armstrong), der sich trotz seines Alters noch in perfekter Kraft und Frische zeigte.

Zuchtbullenprüfung
Den Züchtern stehen mehrere privat geführte, vom Landwirtschaftsministerium genehmigte und vom Zuchtverband kontrollierte Prüfstationen zur Verfügung, in die vorselektierte Zuchtabsetzer für eine 120tägige Prüfung eingestallt werden. Eine davon ist die Prüfstation OPB Cunkov von Pavel Kozák in Milevsko (www.opbcunkov.cz) im Kreis Tábor in Südböhmen. Hier werden in 4 Durchgängen jährlich 300-350 Prüfbullen diverser Fleischrindrassen geprüft und im Anschluss vor Ort verauktioniert. Dominierende Rassen in der Prüfung sind Limousin, Angus, Charolais und Simmental, jedoch sahen wir auch Vertreter von Aubrac, Blonde, Salers, Parthenaise und Bazadaise. Neben der Bullenprüfung werden in der Farma Kozák noch 250 Mutterkühe in einem breiten Rassespektrum gehalten.

Interessante Betriebsbesichtigungen
Die Auswahl der Besichtigungsbetriebe bot einen kleinen Querschnitt an Rassen und Betriebsformen. Mit herzlicher Gastfreundschaft, für die wir uns ausdrücklich bedanken möchten, wurden wir auf allen Betrieben empfangen:
– Simmental-Zuchtbetrieb Jakub Placanda in Dubné: ein engagierter, junger Familienbetrieb mit 220 ha, 36 Simmental-Zuchtkühen (Nutzung von KB und ET), Schweinezucht und Direktvermarktung (ca. 300 feste Kunden)
– Landwirtschaftliche Genossenschaft ZD Brloh: eine Genossenschaftsfarm unter Führung von Václav Jungwirth mit 350 Holstein-Milchkühen und 250 Aberdeen-Angus-Kühen, ca. 80 Mitgliedern und 40 Angestellten
– Aberdeen-Angus-Zucht von Milan Šebelka in Rančice: ein Familienbetrieb mit 150 ha, 65 Aberdeen-Angus-Kühen in rot und schwarz, Zucht, Mast und Direktvermarktung, Pensionshaltung von Pferden und Agrotourismus; Familie Šebelka bewirtschaftet das Gehöft bereits seit dem 16. Jahrhundert (Unterbrechung 1952-1990); Milan Šebelka ist Vorsitzender des Angus-Rassenklubs in Tschechien
– Nebenerwerbsbetrieb der Brüder Farka in Trhové Sviny: 320ha, 80 Kühe (90% Limousin, 10% Aubrac), erfolgreich auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland; im Hauptberuf sind František, Paul und Martin Farka Feuerwehrleute, František Farka ist aktueller Präsident des tschechischen Fleischrinderverbands.

Ergänzend zum Fachprogramm durften einige spannende kulturelle und geschichtliche Highlights unsere Zielregion nicht fehlen. So gehörten das „Goldene Prag“, die historische Altstadt von Česky Krumlov, die UNESCO-Welterbestätte Holašovice, ein Dorf im südböhmischen Bauernbarock, sowie ein Rundgang durch Budweis nebst Brauereiführung ebenfalls zum Programm unserer Reise.

Unser Fazit: Tschechien ist immer eine Reise wert! Und die tschechische Fleischrinderzucht lohnt auf jeden Fall einen regelmäßigen Blick und durchaus auch den einen oder anderen genetischen Austausch. Wir werden in Kontakt bleiben!

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